Schon länger drängt sich der Gedanke auf: Die Bundesregierung hat vergessen, wie Europapolitik funktioniert. Alles hängt miteinander zusammen, jeder braucht jeden und das Vertrauen der anderen Mitgliedsstaaten ist eine Grundvoraussetzung für die Mehrheitsfindung in der EU. Stattdessen setzt die Bundesregierung auf Alleingänge, wie beim diskutierten Exportverbot von in Deutschland hergestellten Impfstoffen oder durch pauschale Grenzschließungen.
In der französischen Nachbarregion „Moselle“ hat die Bundesregierung beispielsweise durch ein Verbot von Tramfahrten über die Grenze, die Lebensrealität der Bürgerinnen und Bürger in der Grenzregion komplett missachtet. Solche Aktionen zerschlagen unnötig viel Porzellan und helfen bei der eigentlichen Pandemiebekämpfung nicht weiter. Die Bundesregierung muss ihre Strategie neu überdenken, denn einheitliche Einreisebestimmungen und gemeinsame europäische Maßnahmen sind eine deutlich effektivere Antwort auf die Corona-Krise. Die Bundesregierung könnte als Vorbild für eine stärkere Zusammenarbeit mit den französischen Nachbarn für Grenzregionen in der EU fungieren. Hierfür sollte sie die deutsch-französische Zusammenarbeit endlich breiter anlegen und grenznahe lokale Entscheidungsträger besser einbinden. Entscheidend ist der Fokus auf die gezielte Eindämmung regionaler Infektionsherde ohne eine sukzessive Aushöhlung des Schengen-Abkommens. Ein von der EU-Kommission vorgeschlagener digitaler grüner Nachweis könnte beispielsweise den freien Personenverkehr auch in Corona-Zeiten wieder gewährleisten. Dabei handelt es sich um eine Art Zertifikat für Reisende, die geimpft sind, einen aktuellen negativen Test vorweisen können oder bereits eine COVID-19-Erkrankung durchlebt haben.
Klar ist: Die Gefahr der Corona-Pandemie ist sehr ernst zu nehmen. Pauschale Grenzschließungen treffen allerdings Familien, Pendler und Betriebe in den Grenzregionen unverhältnismäßig hart und bringen doch reichlich wenig, denn das Virus kennt keine Grenzen.